In der Nacht ist die Natur voller Leben. Ein großer Teil der Tiere ist nachtaktiv. Sie fressen, jagen und vermehren sich im Schutz der Dämmerung und der Dunkelheit. Die Nacht ist ihr natürliches Habitat und alle ihre Sinnesorgane sind auf nächtliche Verhältnisse eingestellt. Das gilt für etwa jedes dritte Wirbeltier und sogar für zwei Drittel der Wirbellosen.
Tagaktive Tiere hingegen brauchen (wie die Menschen) die Nacht um Ruhe zu schöpfen. Die nächtliche Natur ist ihr „Schlafzimmer“– ob Garten, Park oder Grünanlagen auf einem Betriebsgelände.
Daher bedeutet künstliches Licht für viele Tiere und das gesamte ökologische Beziehungsgefüge eine gefährliche Störung. Lichtquellen bringen ihre nächtliche Welt durcheinander, mit oftmals schwerwiegenden Folgen. Positiv formuliert: Der Erhalt und die Wiederherstellung natürlicher Nachtlandschaften sind ein wichtiger Beitrag zum Artenschutz.
Licht als gefährliche Falle: Insekten
Etwa die Hälfte der weltweit bekannten Tierarten sind Insekten. Allein in Deutschland gibt es rund 33.000 Arten. Ein sehr großer Teil von ihnen ist nachtaktiv, darunter auch die Mehrheit der Schmetterlinge.
Mit ihren Facettenaugen können Insekten im Gegensatz zu Menschen kurzwelliges UV-Licht wahrnehmen. Durch Kunstlicht ganz allgemein und speziell durch Lichtquellen mit hohem UV- und Blauanteil werden die Tiere geblendet und in der Orientierung gestört.
Aus dem weiten Umkreis fliegen Nachtinsekten zwanghaft helle Lichtquellen an, besonders an warmen Sommerabenden. Die Sogwirkung ist so groß, dass sie sich nicht aus der Gefahrenzone lösen können. Das anhaltende Flattern kostet viel Energie, so dass die Insekten ermattet zu Boden sinken, wo viele vor Erschöpfung verenden oder Beuteopfer andere Tiere werden. Andere verbrennen an den Lichtquellen. Durch diesen „Staubsauger-Effekt“ kommen Milliarden von Insekten ums Leben. Darüber hinaus wurde in den letzten Jahren durch Studien bekannt, dass Kunstlichtquellen für viele Arten eine unüberwindbare Barriere darstellen.
Diese Nachtinsekten fehlen dann in ihrem Biotop, denn sie alle haben im Kreislauf der Natur eine ökologische Aufgabe: Zum einen als Nahrung für andere Tiere, etwa Fledermäuse, zum anderen als Bestäuber. Diese Bedeutung wird vielfach noch nicht erkannt.
So denken beim Thema Bestäubung viele sofort an Bienen und Wildbienen. Doch einen erheblichen Teil der „Dienstleistung“ Bestäubung erbringen nachaktive Insekten. Gibt es weniger Nachtinsekten, reifen weniger Früchte. Denn auch Pflanzen sind zu einem großen Teil nachtaktiv und verströmen in der Dämmerung und Nacht ihren Duft. Damit ist die Vielfalt von Fauna und Flora bedroht, im privaten Garten ebenso wie in der freien Landschaft. Eingriffe in ausbalancierte Systeme rächen sich.
Helles Licht als Störsignal: Vögel
Auch Vögel werden durch helles nächtliches Kunstlicht irritiert. Ihr Leben ist ebenfalls durch den natürlichen Wechsel von Licht und Dunkel und die jahreszeitlichen Veränderungen der Tageslänge (Photoperiode) geprägt. Biologische Rhythmen steuern die saisonalen Aktivitäten der Tiere: die Fortpflanzung, die Brut, die Mauser und bei Zugvögeln der Zeitpunkt des Aufbruchs.
Sendet künstliches Licht von Straßenlaternen oder angestrahlten Fassaden „Fehlinformationen“, beginnen beispielsweise Stadtamseln, Blaumeisen und Rotkehlchen deutlich zeitiger zu singen – teilweise schon in der Nacht. Ihr Tagesrhythmus ist gestört. Stadtamseln beginnen mehrere Wochen früher mit der Brut als Waldamseln, oft bereits zu einer Zeit, in der das Nahrungsangebot zur Aufzucht der Jungen noch nicht ausreicht. Ähnliche Beobachtungen hat man bei Blaumeisen gemacht: Blaumeisen-Weibchen, deren Nistkästen sich im Einzugsbereich einer Straßenlaterne befanden, fingen eher mit der Eiablage an als Artgenossen an dunkleren Stellen.
Besonders problematisch ist die nächtliche Beleuchtung für Nachtzugvögel. Zahlreiche Arten legen ihre Reise in der Nacht zurück. Nahezu das gesamte Jahr über sind nachts Vögel unterwegs. Einige lassen sich vom Magnetfeld der Erde leiten. Doch dieses komplexe System der Wahrnehmung und Kursbestimmung funktioniert nur dann optimal, wenn es nicht durch Kunstlicht überlagert wird. Das aber ist inzwischen vielerorts nur noch sehr eingeschränkt der Fall. Die Arten hatten keine Chance, sich darauf einzustellen.
In klaren Nächten bewegen sich die Vögel zumeist so hoch, dass ihnen Licht am Boden wenig anhaben kann. Niedrige Schichtwolken jedoch streuen die Beleuchtung diffus und erzeugen z. B. über Ballungsräumen großflächige "Lichtflächen", in denen die Tiere kaum Anhaltspunkte zum Verlassen finden können. So kommt es bei nebligem Wetter immer wieder zu Massenanflügen auf helle Lichtquellen, die fatal enden können.
Eingestellt auf Dunkelheit: Fledermäuse
Dass auch die ausschließlich nachtaktiven Fledermäuse davon betroffen sind, wenn die Nacht durch künstliches Licht zum Tage gemacht wird, liegt auf der Hand. Bei vielen Fledermausarten sind Verhaltensänderungen beobachtet worden: Einige fliegen später aus und kehren eher zurück, meiden angestammte Jagdgebiete, weil diese jetzt beleuchtet sind und finden in angrenzenden dunkleren Gebieten nicht mehr genug Beute, weil es diese zum Licht gezogen hat.
Allerdings gibt es auch Profiteure: Einige schnell fliegende, lichttolerante insektenfressende Fledermausarten (z. B. Zwergfledermäuse) haben gelernt, das große Insektenangebot im Umfeld von Leuchten gezielt abzugreifen. Dies betrifft jedoch nur einen kleinen Teil der ca. 900 verschiedenen Fledermausarten.
Andere Tiere und Pflanzen
Nachaktiv sind im Übrigen auch viele andere geschützte Wildtierarten, darunter etliche Amphibien, der Regenwurm und Glühwürmchen. Doch helles Kunstlicht irritiert nicht nur nachtaktive Tiere, sondern stört auch all jene, die am Tag aktiv sind und in der Nacht schlafen müssen. Ihnen geht es ähnlich wie den Menschen: Licht hat Einfluss auf ihre Schlafqualität. Allerdings stehen die Forscher bei der Erforschung und Bewertung der Licht-Schäden auf Wildtiere noch ganz am Anfang. Die skizzierten Beispiele lassen jedoch vermuten, dass künstliches Licht in der Nachtlandschaft viele Wildtiere beeinträchtigt. Es ist nicht auszuschließen, dass solche Störungen die an anderer Stelle erzielten Schutzerfolge teilweise wieder zunichte machen.
Die Folgen der Lichtverschmutzung für Fauna und Flora sind jedoch nicht auf Lebensräume an Land beschränkt. Immer häufiger werden auch Uferbereiche von Fließgewässern und Seen beleuchtet. Direkt einfallendes Kunstlicht kann Gewässerabschnitte aus dem ökologischen Gleichgewicht bringen.
Wasserflöhe wandern nachts an die Oberfläche, um Algen zu fressen. Wird der Bach- oder Flussabschnitt künstlich beleuchtet, ändern sie ihr Verhalten, fressen weniger und steigen in geringerer Anzahl auf. Dadurch erhöht sich der Anteil der Algenbiomasse des Gewässers. Das beeinträchtigt die Wasserqualität.
Auf viele Fischarten wirkt Licht anziehend, was der Mensch sich beim Lichtfischen zunutze macht. Jungfische hingegen sind eher lichtscheu. Tagsüber verbergen sie sich in tieferen Gefilden und kommen erst im Dunkeln zum Fressen in die nährstoffreicheren oberen Wasserschichten. Wird ihr Lebensraum in der Nacht von Licht beschienen, sind sie für ihre Fressfeinde leichte Beute.
Licht beeinträchtigt auch die Laichwanderungen von Fischen. Auf Lachse, die bei Dunkelheit flussaufwärts wandern, wirkt Licht wie eine Barriere. Nicht zuletzt produzieren Fische bei Dunkelheit Melatonin, um zu regenerieren. Wird es in ihrem Lebensraum nicht mehr dunkel, stört das den Hormonhaushalt. So fordert die Beleuchtung der Uferpromenade oder Brücke in der Natur ihren Preis.
Angestrahlte Pflanzen
Auch Pflanzen, die zum Teil selbst dämmerungs- oder nachtaktiv sind (z. B. Linde, Schwarzer Holunder sowie viele Gartenkräuter), reagieren auf regelmäßig scheinendes nächtliches künstliches Licht. In Treibhäusern macht man sich dies zunutze.
In der Natur aber sind die Folgen der Lichtverschmutzung für Pflanzen ein Störfaktor. Das künstliche Licht suggeriert ihnen, die Vegetationsphase dauere an. Als Folge vergrößert sich die Blattfläche, weswegen sie im Sommer mehr verdunsten und weniger gut mit Dürre auskommen. Im Herbst werfen viele angestrahlte Baumarten später ihre Blätter ab oder treiben sogar in den Wintermonaten aus. Kommt dann der Frost, kann der Baum Frostschaden erleiden.