Neue Kasseler Synagoge: Land Hessen macht sich für modernes Domizil der Jüdischen Gemeinde stark
Esther Haß, Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Kassel-Nordhessen
Die neue, am 28. Mai 2000 eingeweihte Synagoge in Kassel ist das Gemeinschaftswerk vieler Menschen und Institutionen. Auf Initiative der Jüdischen Gemeinde Kassel-Nordhessen wurde die Erweiterung, die später ein Neubau wurde, seit Jahren in der Kasseler Öffentlichkeit diskutiert. Von Anfang an engagierte sich die Hessische Landesregierung außerordentlich für die Realisierung des Projekts. Insgesamt stellte sie für den Neubau, der die 1965 errichtete "mittlere" Synagoge ersetzte, einen Betrag von 1,6 Millionen DM zur Verfügung.
Auch die Stadt Kassel engagierte sich finanziell für den Ausbau und überzeugte mit ihrem Beispiel auch die nordhessischen Landkreise, die sich ebenfalls an der Finanzierung beteiligten. Weitere Beträge kamen durch eine breit angelegte Spendensammlung in Nordhessen, für die sich viele bekannte Persönlichkeiten stark machten, durch private Spenden, die Evangelische Landeskirche und das Katholische Bistum Fulda sowie nicht zuletzt durch den Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Hessen zusammen.
Die neue Synagoge stellt für die enorm gewachsene Jüdische Gemeinde ein zeitgemäßes Domizil dar, in dem das gemeindliche Leben mit Gottesdiensten, Unterricht und vielen anderen Veranstaltungen einen modernen Rahmen findet. Über die Gestaltung des Baus und die zugrunde liegenden Konzepte informiert Esther Haß, Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Kassel - Nordhessen, in dem Artikel "Synagogenbau in Kassel: 1839 - 1965 - 2000".
Am 28. Mai 2000 wurde eine neue Synagoge in Kassel eingeweiht im Beisein von Vertretern aus Politik und Wirtschaft, Kultur und Kultus. Damit beginnt eine neue Epoche der Geschichte der Jüdischen Gemeinde dieser Stadt. Denn jede dieser Synagogen spiegelte das Leben und Bewußtsein der jüdischen Bürger wider.
1839 wurde eine große, prächtige Synagoge in der Unteren Königsstraße eingeweiht. Im Zuge der Emanzipation der Juden Kurhessens demonstrierte die Kasseler Judenschaft damit das gestiegene Selbstbewußtsein und ein eigenes handwerkliches Können. Abraham (Albrecht) Rosengarten, ein junger Architekt und Jude aus Kassel, kreierte einen neuen Stil im Synagogenbau und veröffentlichte seine Ansichten und Pläne in der Wiener "Bauzeitung" von 1840. Deshalb sind diese bis heute erhalten.
Die "Neue Synagoge" war zweistöckig angelegt und bot ca. 800 Betern Platz, wobei die Frauen auf der Galerie saßen.Gegen Ende des Jahrhunderts war das Selbstverständnis der Kasseler Juden so gewachsen, daß die Gemeinde den Zeichner und Maler Wilhelm Thielmann beauftragte, Zeichnungen der gottesdienstlichen Vorgänge anzufertigen. Auch diese sind erhalten als "Schatz" des Kasseler Stadtmuseums. Im November 1938 wurde die Synagoge geschändet und zerstört; die Gemeinde zerschlagen.
Nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft und der Wiederbegründung einer Jüdischen Gemeinde in Kassel konnte erst 1965 ein kleines, bescheidenes Synagogengebäude in der Bremer Straße in unmittelbarer Nähe des ursprünglichen Standortes eingeweiht werden. Für damals 120 Gemeindemitglieder wurde dieser Bau zur neuen religiösen "Heimat". So unscheinbar das Äußere war, so versteckt spielte sich das jüdische Leben über drei Jahrzehnte ab. Kaum jemand in der Öffentlichkeit nahm die Existenz einer Jüdischen Gemeinde und einer Synagoge in dieser Stadt wahr. Die Mitgliederzahl betrug nur noch 78.
Anfang der neunziger Jahre begann die Zuwanderung jüdischer Familien aus Osteuropa. Mit offenen Armen wurden sie aufgenommen, bedeutete dies doch eine neue Zukunft für die kleine Gemeinde. Innerhalb eines Jahrzehnts wuchs diese auf fast 800 Mitglieder an, so daß die Synagoge zu klein wurde.
So dachte man 1995 an einen Um- und Erweiterungsbau. Pläne und Finanzierungsmodelle wurden erstellt. Bei den Bau- und Bodenuntersuchungen ergaben sich gravierende Probleme hinsichtlich der vorhandenen Bausubstanz und des Schichtenwassers im Boden. Ein Abriß erschien sinvoller und kostengünstiger, statt Sanierung, Um- und Anbau.
Am 17. September 1998 wurde der Grundstein gelegt am Standort in der Bremer Straße. Es entstand ein zweigeschossiges Gebäude mit koscherer Küche, Jugendraum und einem teilbaren Gemeindesaal im Untergeschoß. Büroräume, Bibliothek, Foyer und ein großer Betsaal sind im Obergeschoß.
Zügig ging der Bau voran, so daß am 30. September 1999 Richtfest gefeiert wurde. Besonderheit dieses Synagogen-Neubaus ist die Verknüpfung moderner Baustoffe, wie Beton, Stahl und Glas, mit herkömmlichen wie Holz und Naturstein.
Auch in der Innengestaltung verbinden sich alte und neue Elemente: Männer- und Frauenplätze auf unterschiedlichen Ebenen erinnern an antike Synagogenbauten. Darüber wölbt sich ein ansteigender Himmelsbogen als Kassettendecke aus Holz und Glas. Die Wandtäfelung im oberen Bereich des Betsaals aus Zedernholz kontrastiert zum Sichtbeton im unteren Bereich. Ein aus farbigem Bleiglas erstellter Toraschrein ist in das neun Meter hohe in Blautönen gestaltete Bleiglasfenster der Ostwand integriert. Das Toravorlesepult bildet das Zentrum des Raumes.
Der insgesamt stufenförmige Synagogenbau, der auch äußerlich eine Teilverkleidung aus Zedernholz aufweist, gerät zu einem architektonischen "highlight" am Rande der Nordstadt von Kassel.
So demonstriert dieser Bau ein neugewachsenes Selbstbewußtsein der Jüdischen Gemeinde, die sich in das Leben der Stadt mit zahlreichen Aktivitäten integriert.