Grabsteine auf einem jüdischen Friedhof.

Jüdische Friedhöfe & Gräbergesetz

Für die laufende Pflege der jüdischen Friedhöfe und der Gräber werden den Kommunen jährliche Pauschalen gewährt, deren Verwendung durch Begehungen und Protokolle überwacht und abgesichert werden. Im Rahmen der notwendig anstehenden Instandsetzungs- und Sicherungsarbeiten (auch nach Vandalismusschäden) wird nach Prüfung die Zustimmung für die Ausführung der Maßnahmen erteilt und die Höhe der Übernahme der Kosten festgelegt sowie die Abrechnung durchgeführt. Bei klärungsbedürftigen Sachverhalten werden die Landkreise, die kreisfreien Städte und der Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Hessen in die Entscheidungen einbezogen. Innerhalb des Regierungsbezirks werden 104 jüdische Friedhöfe betreut.

Ebenso wird auch bei den Kriegsgräbern, die in öffentliche Obhut genommen worden sind, verfahren. Neben der Pauschale für die Pflege der Gräber erhalten die Kommunen eine Ruherechtsentschädigung für die Grabstätten, da Kriegstoten ein ewiges Ruherecht zusteht. Zusätzliche Aufgabenstellungen ergeben sich bei der Verlegung von Gräbern aus Streulage in eine geschlossene Anlage oder bei Neugestaltung von Grabanlagen nach Zusammenlegungen. Im Regierungsbezirk befinden sich 18.748 Einzelgräber und Sammelgräber mit einer Fläche von 1.235,5 qm, die betreut werden.

Das Regierungspräsidium Kassel ist für die beschriebenen Aufgaben im seinem Regierungsbezirk zuständig.

Rechtsgrundlagen
•Richtlinien für die Sicherung und Betreuung der jüdischen Friedhöfe in Hessen
•Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (Gräbergesetz)

Jüdische Friedhöfe lassen vielfach den überaus gepflegten, fast parkartigen Eindruck christlicher Begräbnisstätten vermissen. Bodendecker überwachsen die Gräber, Grabsteine werden selten nur restauriert und lassen - mit Absicht - den Gang der Zeit erkennen. Doch unbeaufsichtigt und ungepflegt sind jüdische Friedhöfe keineswegs, sondern Zeichen der besonderen jüdischen Friedhofskultur als ein "Haus des Lebens". Angehörige - wenn sie denn die Verfolgung durch die Nationalsozialisten überlebten - kümmern sich um die Begräbnisstätten, ebenso die wieder gewachsen Jüdische Gemeinde Kassel-Nordhessen. Und zudem hat sich die Bundesrepublik Deutschland 1957 zu ihrer Verantwortung für die Instandhaltung der Gesamtanlagen verpflichtet. Um die 97 jüdischen Friedhöfe in Nord- und Osthessen kümmert sich das Regierungspräsidium Kassel.

In der Zeit des Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945 wurden die jüdischen Gemeinden, die es in Deutschland zahlreich gab, auf brutale Weise vernichtet, Millionen von Juden aus Deutschland und ganz Europa in den Arbeits- und Vernichtungslagern ermordet. Die Nationalsozialisten zerstörten die Synagogen - und wo sie dies nicht restlos zustande brachten, vollendeten die Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg dieses Werk.

Die vielfach verwüsteten jüdischen Friedhöfe blieben bestehen, wurden aber nicht mehr gepflegt, da die wenigen überlebenden und nach Deutschland zurückkehrenden Juden dies nicht leisten konnten. Später übernahm deshalb der Staat die Verpflichtung der Pflege - nicht zuletzt aus moralischer Verantwortung. Zudem sind die jüdischen Friedhöfe aus geschichtlichen und künstlerischen Gründen Kulturdenkmäler im Sinne des Denkmalschutzes.

Das Regierungspräsidium Kassel weist die erforderlichen Mittel der Friedhof- und Grabunterhaltung den einzelnen Städten und Gemeinden zu, die im Auftrag des Staats die Pflegemaßnahmen durchführen. Außerdem kontrollieren Mitarbeiter des Regierungspräsidiums die Ausführung der in Auftrag gegebenen Arbeiten. Im Jahr 1999 wurden auf insgesamt 27 jüdischen Friedhöfen im Regierungsbezirk Kassel Instandsetzungsmaßnahmen durchgeführt, die vom Aufrichten von Grabsteinen über die Wiederherstellung von Einfassungen der Friedhöfe bis zur Erhaltung der vorhandenen Gebäude reichten. Insgesamt wurden für dies Maßnahmen 480.000 DM eingesetzt. Auch für das Jahr 2000 sind Pflege- und Instandsetzungsmaßnahmen in einem Umfang von 450.000 DM vorgesehen.

Die jüdischen Friedhöfe im Regierungsbezirk verteilen sich auf die sechs Landkreise und die kreisfreie Stadt Kassel folgendermaßen:

  • 2 Stadt Kassel
  • 15 Landkreis Kassel
  • 24 Schwalm-Eder-Kreis
  • 22 Landkreis Waldeck-Frankenberg
  • 22 Landkreis Hersfeld-Rotenburg
  • 14 Werra-Meißner-Kreis
  • 6 Landkreis Fulda

Für die Pflege der jüdischen Friedhöfe ist eine Kenntnis der rituellen Vorschriften der jüdischen Religion wichtig, denn die jüdischen Vorstellungen von Grabstätten weichen erheblich von christlichen ab. So stellen zum Beispiel Kränze und Blumengebinde - auf christlichen Friedhöfen Zeichen der Verbundenheit mit den Verstorbenen - auf jüdischen Friedhöfen die Ausnahme dar. Die Hintergründe und Leitgedanken der jüdischen Begräbniskultur stellt Frau Esther Haß, Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Kassel - Nordhessen, in ihrem Beitrag "Der Jüdische Friedhof - ein Haus des Lebens" dar.

Zu den wichtigen Maßnahmen bei der Pflege der jüdischen Friedhöfe zählt die Sicherung der Grabsteine, die - nach langen Jahren vielfach umgefallen - aus Sicherheitsgründen wieder aufgerichtet werden. Außerdem wird darauf geachtet, daß die Inschriften lesbar bleiben und Rankpflanzen nicht vollständig von den Gräbern Besitz ergreifen. Außerdem soll am Eingang jedes Friedhofs ein Schild mit dem Hinweis angebracht werden, daß am Shabbat (Samstag) und an jüdischen Feiertagen der Besuch des Friedhofs nicht gestattet ist.

Esther Haß, Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Kassel-Nordhessen

Wohl nichts klingt so verwunderlich wie diese Aussage, und doch gehört sie zum Begräbnis- und Totenkult der Juden sowie zu deren Auferstehung svorstellungen. Der Prophet Hesekiel beschreibt in einer Vision anschaulich die Auferstehung der Menschen zum Jüngsten Gericht. Deshalb gibt es auf jüdischen Friedhöfen ewiges Ruherecht; deshalb wird der Mensch in seiner Ganzheit begraben.
Auf Ruhe, Leben und Auferstehung weisen auch die Grabinschriften. Die Texte werden eingeleitet durch die hebräischen Abkürzungen "Hier ruht" oder "Hier ist verborgen" und beendet durch den Segensspruch als Schlußsatz "Seine/Ihre Seele möge eingebunden sein in das Buch des Lebens".
Schaut man sich auf dem älteren Kasseler Jüdischen Friedhof die beschrifteten Grabplatten an, die älteste weist die Jahreszahl von 1648 als Sterbedatum auf, so ergeben die Übersetzungen noch weitere Hinweise auf Ewigkeit, ewiges Leben und den "Guten Ort" (jiddisch). Dazu einige Beispiele:

  • Hier ruht und ist verborgen einer der Aufbewahrten, bis sie zum Leben auferweckt werden.
  • Er wurde abberufen in das himmlische Lehrhaus, und der Schöpfer brachte ihn hinauf.
  • Durch ihre Handlungen und Lieblichkeit möge sie im Garten Eden und im Tempel des Herrn im Licht der Lebenden weilen.
  • Er wird aufwachen aus seinem Schlaf zum ewigen Leben im Gericht der Gottesfürchtigen und Vollkommenen.

Für die Lebenden gilt das Begräbnis, zuvor die rituelle Waschung und Einkleidung des Toten und ebenso das Trauergeleit, als religiöse Pflicht; unbestattet zu bleiben, ist ein Unglück. - Leben, Tod, Ruhe und ewiges Leben sowie Gedenken, Erinnern und Bewahren sind im Judentum eng miteinander verknüpft. Ältere jüdische Friedhöfe in Deutschland, so auch der Kasseler Judenfriedhof, stehen heute unter Denkmalschutz und werden aus öffentlichen Landesmitteln unterhalten. Sie sind vielfach die einzigen "Lebenszeichen" einstiger jüdischer Gemeinden. Neben dem ewigen Ruherecht gelten für die Toten und die Totenbestattung weitere Grundsätze:

  • Ehepartner, Mann und Frau, werden nebeneinander bestattet, ansonsten gilt die Reihenfolge nach den Sterbedaten. Kinder und Alleinstehende haben jeweils eine gesonderte Reihung.
  • Gräber sind mit der Kopflage so ausgerichtet, daß bei der Auferstehung das Angesicht gen Jerusalem schaut.
    Die Einbettung geschieht in einer einfachen Holzkiste, denn im Tode sind alle gleich.
  • Noch in Anwesenheit der Trauergemeinde, bevor das "Kaddisch" gebetet wird, schaufeln die männlichen Angehörigen und Freunde oder die Beerdigungsbruderschaft das Grab zu. Man verläßt also nicht die noch offene Grabstelle.
  • Auch die Steine werden zumeist in gleicher Größe zum Gedächtnis gesetzt. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gibt es auch Familiengrabstätten und aufwendigere Grabmale.
  • Nach einer Beerdigung ist es den nächsten Angehörigen während der dreißigtägigen strengen Trauerzeit nicht gestattet, die Grabstelle aufzusuchen. Erst wenn sie dem eigenen "Leben" zurückgegeben werden, dürfen sie dieses besuchen.
  • Wer ein Grab besucht, hinterläßt als Zeichen ein Steinchen; so wird der Verstorbene geehrt und nicht vergessen.
  • Eine Grabbepflanzung findet man auf jüdischen Friedhöfen allgemein nicht. Man läßt Efeu oder Bodendecker auf den Gräbern wachsen oder bestreut diese mit Kies.

Mit der Vielgestaltigkeit der Grabmäler in neuerer Zeit veränderte sich auch die Grabsteinsymbolik, wie auf dem hiesigen Friedhof sichtbar. Waren zuvor nur Priesterhände, Levitenkanne, Schofar oder Beschneidungswerkzeuge abgebildet, so sind es in der Gegenwart vielfach der Davidstern oder Namenssymbole wie Löwe und Hirsch oder auch nicht-jüdische Symbole wie Malerpalette und Äskulapstab. Doch auch Grabsteinformen, -materialien und -inschriften weisen in zunehmendem Maße auf Säkularisierungstendenzen hin. Diese zeigen sich besonders auch in der Errichtung eines Ehrenmals für die Gefallenen jüdischen Soldaten des Ersten Weltkriegs auf dem Bettenhäuser Friedhof. Aus dem Zeitgeist heraus war dies durchaus verständlich; man fühlte sich als deutscher Bürger und war stolz darauf. Umso tragischer ist die Tatsache, daß viele Kasseler Juden, die in den Konzentrationslagern umkamen, keine Grabstelle haben. Doch findet man auf manchen Familiengräbern zusätzliche Hinweise auf die deportierten Opfer; ein Zeichen dafür, daß es noch Überlebende gab, die dies veranlassen konnten.

Neue Kasseler Synagoge: Land Hessen macht sich für modernes Domizil der Jüdischen Gemeinde stark

Esther Haß, Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Kassel-Nordhessen

Die neue, am 28. Mai 2000 eingeweihte Synagoge in Kassel ist das Gemeinschaftswerk vieler Menschen und Institutionen. Auf Initiative der Jüdischen Gemeinde Kassel-Nordhessen wurde die Erweiterung, die später ein Neubau wurde, seit Jahren in der Kasseler Öffentlichkeit diskutiert. Von Anfang an engagierte sich die Hessische Landesregierung außerordentlich für die Realisierung des Projekts. Insgesamt stellte sie für den Neubau, der die 1965 errichtete "mittlere" Synagoge ersetzte, einen Betrag von 1,6 Millionen DM zur Verfügung.

Auch die Stadt Kassel engagierte sich finanziell für den Ausbau und überzeugte mit ihrem Beispiel auch die nordhessischen Landkreise, die sich ebenfalls an der Finanzierung beteiligten. Weitere Beträge kamen durch eine breit angelegte Spendensammlung in Nordhessen, für die sich viele bekannte Persönlichkeiten stark machten, durch private Spenden, die Evangelische Landeskirche und das Katholische Bistum Fulda sowie nicht zuletzt durch den Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Hessen zusammen.

Die neue Synagoge stellt für die enorm gewachsene Jüdische Gemeinde ein zeitgemäßes Domizil dar, in dem das gemeindliche Leben mit Gottesdiensten, Unterricht und vielen anderen Veranstaltungen einen modernen Rahmen findet. Über die Gestaltung des Baus und die zugrunde liegenden Konzepte informiert Esther Haß, Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Kassel - Nordhessen, in dem Artikel "Synagogenbau in Kassel: 1839 - 1965 - 2000".

Am 28. Mai 2000 wurde eine neue Synagoge in Kassel eingeweiht im Beisein von Vertretern aus Politik und Wirtschaft, Kultur und Kultus. Damit beginnt eine neue Epoche der Geschichte der Jüdischen Gemeinde dieser Stadt. Denn jede dieser Synagogen spiegelte das Leben und Bewußtsein der jüdischen Bürger wider.
1839 wurde eine große, prächtige Synagoge in der Unteren Königsstraße eingeweiht. Im Zuge der Emanzipation der Juden Kurhessens demonstrierte die Kasseler Judenschaft damit das gestiegene Selbstbewußtsein und ein eigenes handwerkliches Können. Abraham (Albrecht) Rosengarten, ein junger Architekt und Jude aus Kassel, kreierte einen neuen Stil im Synagogenbau und veröffentlichte seine Ansichten und Pläne in der Wiener "Bauzeitung" von 1840. Deshalb sind diese bis heute erhalten.

Die "Neue Synagoge" war zweistöckig angelegt und bot ca. 800 Betern Platz, wobei die Frauen auf der Galerie saßen.Gegen Ende des Jahrhunderts war das Selbstverständnis der Kasseler Juden so gewachsen, daß die Gemeinde den Zeichner und Maler Wilhelm Thielmann beauftragte, Zeichnungen der gottesdienstlichen Vorgänge anzufertigen. Auch diese sind erhalten als "Schatz" des Kasseler Stadtmuseums. Im November 1938 wurde die Synagoge geschändet und zerstört; die Gemeinde zerschlagen.

Nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft und der Wiederbegründung einer Jüdischen Gemeinde in Kassel konnte erst 1965 ein kleines, bescheidenes Synagogengebäude in der Bremer Straße in unmittelbarer Nähe des ursprünglichen Standortes eingeweiht werden. Für damals 120 Gemeindemitglieder wurde dieser Bau zur neuen religiösen "Heimat". So unscheinbar das Äußere war, so versteckt spielte sich das jüdische Leben über drei Jahrzehnte ab. Kaum jemand in der Öffentlichkeit nahm die Existenz einer Jüdischen Gemeinde und einer Synagoge in dieser Stadt wahr. Die Mitgliederzahl betrug nur noch 78.

Anfang der neunziger Jahre begann die Zuwanderung jüdischer Familien aus Osteuropa. Mit offenen Armen wurden sie aufgenommen, bedeutete dies doch eine neue Zukunft für die kleine Gemeinde. Innerhalb eines Jahrzehnts wuchs diese auf fast 800 Mitglieder an, so daß die Synagoge zu klein wurde.

So dachte man 1995 an einen Um- und Erweiterungsbau. Pläne und Finanzierungsmodelle wurden erstellt. Bei den Bau- und Bodenuntersuchungen ergaben sich gravierende Probleme hinsichtlich der vorhandenen Bausubstanz und des Schichtenwassers im Boden. Ein Abriß erschien sinvoller und kostengünstiger, statt Sanierung, Um- und Anbau.

Am 17. September 1998 wurde der Grundstein gelegt am Standort in der Bremer Straße. Es entstand ein zweigeschossiges Gebäude mit koscherer Küche, Jugendraum und einem teilbaren Gemeindesaal im Untergeschoß. Büroräume, Bibliothek, Foyer und ein großer Betsaal sind im Obergeschoß.

Zügig ging der Bau voran, so daß am 30. September 1999 Richtfest gefeiert wurde. Besonderheit dieses Synagogen-Neubaus ist die Verknüpfung moderner Baustoffe, wie Beton, Stahl und Glas, mit herkömmlichen wie Holz und Naturstein.

Auch in der Innengestaltung verbinden sich alte und neue Elemente: Männer- und Frauenplätze auf unterschiedlichen Ebenen erinnern an antike Synagogenbauten. Darüber wölbt sich ein ansteigender Himmelsbogen als Kassettendecke aus Holz und Glas. Die Wandtäfelung im oberen Bereich des Betsaals aus Zedernholz kontrastiert zum Sichtbeton im unteren Bereich. Ein aus farbigem Bleiglas erstellter Toraschrein ist in das neun Meter hohe in Blautönen gestaltete Bleiglasfenster der Ostwand integriert. Das Toravorlesepult bildet das Zentrum des Raumes.

Der insgesamt stufenförmige Synagogenbau, der auch äußerlich eine Teilverkleidung aus Zedernholz aufweist, gerät zu einem architektonischen "highlight" am Rande der Nordstadt von Kassel.
So demonstriert dieser Bau ein neugewachsenes Selbstbewußtsein der Jüdischen Gemeinde, die sich in das Leben der Stadt mit zahlreichen Aktivitäten integriert.