Regierungspräsidium Kassel

Gemeinsam stark: Kooperation bei Europäischer Sicherheit als Antwort auf globale Krisen

Vor rund 30 Zuhörerinnen und Zuhörern im Walter-Lübcke-Saal des Regierungspräsidiums (RP) Kassel diskutierten Dr. Stefan Lock, Prof. Dr. Gunther Hellmann und Dr. Matthias Dembinski über die Frage, ob Europa für seine Sicherheit eine gemeinsame Armee brauche und wie der Weg dorthin aussehen könnte.

Eingeladen zur Veranstaltung hatten das EUROPE DIRECT NordOstHessen beim Regierungspräsidium Kassel und die Hessische Landeszentrale für politische Bildung.

Im Verlauf des Abends kam es zu angeregten Diskussionen unter den Teilnehmenden auf dem Podium und auch mit dem Publikum. Carla Sappok moderierte die Veranstaltung und führte durch die Diskussion. Die Journalistin ist Teil des Team EUROPE DIRECT Speaker Pools der Europäischen Kommission. Die Diskussionsveranstaltung stand unter der Frage, ob die Europäische Union angesichts aktueller Kriege und Krisenherde und einer sich verändernden Sicherheitspolitik eine gemeinsame Armee bräuchte.

Prof. Dr. Gunther Hellmann von der Goethe-Universität Frankfurt eröffnete mit einem Impulsvortrag, in dem er festhielt, dass die Bereitschaft der EU-Bevölkerung für eine vertiefte Zusammenarbeit bei der Verteidigung Umfragen zufolge da sei. Anschließend und auch während der folgenden Diskussion hielt Prof. Dr. Hellmann allerdings fest, dass die Lage, etwa angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, noch nicht von allen Mitgliedsstaaten als ausreichend kritisch gesehen wird. Dadurch fehle der letzte Impuls für konkrete Reformen. Zudem könne eine Gleichzeitigkeit von NATO und einer europäischen Armee nicht ohne Einbußen bei einem der beiden Bündnisse erfolgen.

Ähnlich skeptisch gegenüber einer kurzfristigen Lösung war der Politikwissenschaftler vom PRIF Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung, Dr. Matthias Dembinski. Er machte die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten als größtes Hindernis auf dem Weg zu einer gemeinsamen Verteidigungsarmee aus. Ohne einen Europäischen Staat könne es daher keine vollwertige europäische Armee geben. Solange die NATO zudem funktioniere, würden die EU-Mitgliedsstaaten keine Notwendigkeit sehen, sich enger zu binden und Reformen anzustoßen. Gleichzeitig blieb Dr. Dembinski zuversichtlich, dass bei einem plötzlichen Rückzug der USA aus der NATO es schnell zu einem Wandel innerhalb der EU kommen könne. Die Sanktionspakete zu Beginn des russischen Angriffskrieges haben die Handlungsfähigkeit gezeigt, bei deren Ausarbeitung die Europäische Kommission eine große Rolle gespielt habe.

Auf die jüngsten Entwicklungen auf europäischer Ebene machte auch Dr. Stefan Lock aufmerksam, der die Regionalvertretung der Europäischen Kommission in Bonn leitet. Die Europäische Kommission könne in ihrer momentanen Situation vor allem auf drei Weisen unterstützen: Vorschläge, Ausarbeitungen und Überlegungen einbringen; Impulse geben und diese anstoßen; und Finanzierungswege aufzeigen und auch selbst Finanzierungsmittel als Zuschüsse oder Darlehen zur Verfügung stellen. Mit dem Weißbuch „Europäische Verteidigungsbereitschaft 2030“ und dem Investitionsprogramm SAFE des umfassenderen ReArm Europe-Plans habe die EU-Kommission bereits vorgelegt. Jetzt komme es darauf an, eine gemeinsame Verteidigung fortzuentwickeln - auch im Bereich der hybriden Kriegsführung und insbesondere zur Cybersicherheit. Eine besondere Bedeutung komme auch dem zukünftigen Zivilschutz innerhalb der EU zu. Auch hier habe die Europäische Kommission zwischenzeitlich weitreichende Programmvorschläge gemacht.

Einzelne Zuhörerinnen und Zuhörer gingen kritisch auf die vorgetragenen Argumente ein. Aus dem Publikum wurde u. a. auf Nebeneffekte höherer Verteidigungsausgaben oder politische Hürden innerhalb der EU aufmerksam gemacht. Die anschließende Diskussion gab der Komplexität und politischen Bedeutung des Themas entsprechenden Raum, musste aber letztlich gegensätzliche Positionen stehen lassen.

Die Veranstaltung fand in Kooperation des RP Kassel und des EUROPE DIRECT NordOstHessen mit der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung statt.

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