Regierungspräsidium Kassel
Abteilung II - Verkehr, Planung, ländlicher Raum, Verbraucherschutz-
Dezernat 23 -Veterinärwesen und Verbraucherschutz-
Allgemeinverfügung zur Anordnung einer Duldungspflicht bezüglich der Betretung von Grundstücken durch ASP-Kadaver-Suchteams zur Überwachung und Feststellung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) bei Wildschweinen
Das Regierungspräsidium Kassel erlässt als zuständige Behörde nach §§ 81, 100 Abs. 1 Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) gem. Art. 26 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/429 folgende
Allgemeinverfügung:
1. Grundstückseigentümer und Grundstücksbesitzer haben das Betreten ihrer Grundstücke in dem aus der als Anlage beigefügten Karte ersichtlichen Gebiet durch
- bei der Kadaversuche tätigen und diese begleitenden Personen mit Suchhunden, die durch das Land Hessen damit beauftragt wurden oder
- beauftragte Personen des Landes Hessen, die Drohnen zu diesem Zweck steuern,
zu dulden.
2. Jedes verendet aufgefundene Wildschwein ist der zuständigen Behörde des Fundortes unverzüglich, unter Angabe des genauen Fundortes (wenn möglich mit GPS-Daten) zu melden. Die Kennzeichnung, Probenahme, Bergung und unschädliche Beseitigung der Wildschweine obliegen ausschließlich dem vom Landkreis Waldeck-Frankenberg bestimmten Personal.
3. Die sofortige Vollziehung dieser Verfügung wird hiermit angeordnet.
4. Die Verfügung gilt an dem auf die ortsübliche Bekanntmachung folgenden Tag als bekannt gegeben.
5. Die Verfügung wird zusätzlich auf der Internetseite des Regierungspräsidiums Kassel, https://rp-kassel.hessen.de/nordosthessen/oeffentliche-bekanntmachungen öffentlich bekannt gemacht.
Begründung:
Zu Ziffer 1:
Die Anordnung beruht auf Art. 26 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/429. Gem. Art. 26 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/429 führt die zuständige Behörde eine Überwachung zur Feststellung des Auftretens der gelisteten Seuchen gem. Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe e und relevanter neu auftretender Seuchen durch. Bei der Afrikanischen Schweinepest (ASP) handelt es sich um eine gelistete Seuche gem. Art. 9 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EU) 2016/429, vgl. Art. 1 Nr. 5, Art. 2 der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1882 i. V. m. Anhang I der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1882. Von dieser Rechtsgrundlage umfasst sind auch Maßnahmen, die die Überwachung des Eintrags einer gelisteten Seuche erst ermöglichen, mithin auch Duldungsverfügungen.
Am 14. Juni 2025 bestätigte das nationale Referenzlabor am Friedrich-Loeffler-Institut den ersten Ausbruch der ASP bei einem Wildschwein in Nordrhein-Westfalen, ca. 20 km von der hessischen Grenze entfernt. Im Rahmen der ersten Suchmaßnahmen in Nordrhein-Westfalen wurden weitere verendete Wildschweine in der näheren Umgebung des Fundortes geborgen, beprobt und im nordrhein-westfälischen Landeslabor positiv auf ASP untersucht. Die konkrete Ausbreitung der Tierseuche ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht bekannt.
Bei der ASP handelt es sich um eine Viruserkrankung, von der Haus- und Wildschweine betroffen sind. Die Übertragung erfolgt durch direkten Kontakt mit infizierten Tieren oder deren Kadavern, die Aufnahme von virushaltigen Speiseabfällen oder Schweinefleischerzeugnissen bzw. -zubereitungen sowie andere indirekte Übertragungswege (Fahrzeuge, kontaminierte Ausrüstungsgegenstände einschl. Jagdausrüstung, landwirtschaftlich genutzte Geräte und Maschinen, Kleidung). Nach einer Infektion entwickeln die Tiere sehr schwere, aber unspezifische Allgemeinsymptome. Die Erkrankung betrifft alle Altersklassen und Geschlechter gleichermaßen und führt in der Mehrzahl der Fälle zum Tod des Tieres innerhalb einer guten Woche. Für Menschen ist die Krankheit ungefährlich.
Um einen Eintrag der ASP in die angrenzenden hessischen Gebiete so früh wie möglich zu erkennen, ist es dringend erforderlich, dass ab sofort auch in diesen Gebieten strategisch, sorgfältig und schnell nach verendeten Wildschweinen gesucht wird. Diese müssen geborgen, beprobt und auf das Virus der ASP untersucht werden. Nur so können ein möglicher Infektionsherd schnell erkannt und effektive Bekämpfungsmaßnahmen ergriffen werden.
Hierfür ist die Kadaversuche mit ausgebildeten Suchhunden und geschultem Personal das geeignete Mittel: Auch die fachliche Einschätzung des Friedrich-Loeffler-Instituts ist, dass einer sorgfältigen, aber schnellen Suche eine herausragende Bedeutung für die effektive Bekämpfung der Seuche zukommt. Nur so kann das Risiko einer weiteren Ausbreitung sicher reduziert werden. Im Hinblick auf die herausragende Bedeutung der Maßnahme ist daher im Rahmen des Ermessens die Duldungsverpflichtung für betroffene Grundstückseigentümer und Nutzer auszusprechen, zumal die Duldungsverpflichtung ohnehin nur eine geringe Eingriffsintensität hat. Die Grundstücke im Wald und in der Feldflur unterliegen ohnehin einem Betretungsrecht der Allgemeinheit. Häufig sind die angrenzenden Flächen in Ortsrandlagen ebenfalls frei betretbar. Sollten Grundstücke eingefriedet sein, wird das Auffinden verendeter Tiere erfahrungsgemäß ebenfalls im Interesse der betroffenen Grundstückseigentümer und -besitzer sein. Im Ergebnis haben die Rechte der Grundstückseigentümer hier hinter den Zwecken der Tierseuchenbekämpfung zurückzutreten.
Zuständige Behörde ist das Regierungspräsidium Kassel gem. §§ 81, 100 Abs. 1 Satz 2 HSOG, da es sich bei den Suchen an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen um strategische Kadaversuchen handelt, die einer überregionalen Lageerkundung dienen.
Zu Ziffer 2:
Diese Anordnung beruht auf Art. 26 Abs.1 der Verordnung (EU) 2016/429. Nach dieser Vorschrift führt die zuständige Behörde, das Regierungspräsidium Kassel, eine Überwachung zur Feststellung des Auftretens gelisteter Seuchen durch. Die Überwachung ist so zu gestalten, dass sie die rechtzeitige Feststellung der gelisteten Seuchen gewährleistet, und zwar durch Sammlung, Zusammenstellung und Auswertung der relevanten Informationen über die Seuchenlage.
Es handelt sich hierbei nicht um eine Aufforderung, gezielt nach verendeten Wildschweinkadavern zu suchen. Sollten jedoch Wildschweinkadaver in dem in der Anlage ausgewiesenen Gebiet aufgefunden werden, sollten sie aus Gründen der Tierseuchenprävention unschädlich beseitigt werden. Aufgrund der Nähe zu den ASP-positiven Funden in Nordrhein-Westfalen kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch diese Kadaver größere Mengen an ASP-Viruspartikeln enthalten. Bei der Beseitigung der Kadaver sind strenge Hygienevorschriften zu beachten, um eine Verschleppung des Virus zu vermeiden. Daher erfolgt die Bergung von speziell dafür ausgebildeten Bergeteams.
Diese Maßnahme ist außerdem geeignet und erforderlich, um einen Überblick über die mögliche Verbreitung der ASP im Grenzgebiet zu Nordrhein-Westfalen zu gewinnen und einen Eintrag in den Regierungsbezirk Kassel frühzeitig festzustellen.
Zu Ziffer 3:
Gem. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) wird hinsichtlich der Verfügung in den Ziffern 1 und 2 die sofortige Vollziehung angeordnet. Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung.
Die Anordnungen sind im öffentlichen Interesse notwendig, um den Suchkräften eine zügige Lageerkundung im Landkreis Waldeck-Frankenberg zu ermöglichen. In den vergangenen Tagen seit dem Ausbruchsgeschehen in Nordrhein-Westfalen und den damit einhergehenden Kadaversuchen im Grenzgebiet zu Hessen, sind Kadaversuchteams durch Bürgerinnen und Bürger bei der Suche unterbrochen und gestört worden. Diese Störungen erschweren den Suchkräften die Arbeit und führen zu Verzögerungen bei der Lageerkundung. Ebenso ist eine Meldung verendet aufgefundener Wildschweine und eine Lageerkundung im Regierungsbezirk Kassel ein wichtiger Bestandteil der Lageerkundung im Grenzgebiet und sollte schnellst möglich erfolgen. Bei der ASP handelt es sich um eine in der EU zwingend zu bekämpfende Tierseuche. Ohne zügige Kadaversuche in der hessischen Grenzregion zu Nordrhein-Westfalen und die Meldung verendet aufgefundener Wildschweinkadaver an die zuständige Behörde, besteht die Gefahr, dass sich die ASP unbemerkt weiter in Hessen ausbreitet und dadurch erhebliche Schäden verursacht werden. Dies kann jedoch im öffentlichen Interesse an einer effektiven und schnellen Tierseuchenprävention und-bekämpfung nicht hingenommen werden. Angesichts der Möglichkeit, dass aufgrund eines potenziellen Seuchengeschehens rigorose Handelsbeschränkungen gegenüber der Bundesrepublik Deutschland oder Teilen davon verhängt werden, was massive volkswirtschaftliche Schäden und Existenzgefährdungen Einzelner zur Folge haben könnte, sowie der Möglichkeit, dass für eine Vielzahl von Tieren erhebliche Gesundheitsgefahren drohen, kann sich die Behörde nicht auf die aufschiebende Wirkung etwaiger Rechtsbehelfe und der damit verbundenen zeitlichen Verzögerungen von Gefahrerforschungsmaßnahmen einlassen. Private Interessen, die der Anordnung der sofortigen Vollziehung entgegenstehen, müssen daher zurückstehen.
Zu Ziffer 4:
Gem. § 41 Abs. 4 S. 3 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (HVwVfG) gilt bei öffentlicher Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes dieser zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. Nach § 41 Abs. 4 Satz 4 HVwVfG kann in einer Allgemeinverfügung ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden. Von letzterem wird Gebrauch gemacht, da die Lageerkundung in Nordhessen unverzüglich erfolgen sollte.
Zu Ziffer 5:
Ziffer 5 teilt in Übereinstimmung mit § 41 Abs. 4 Satz 1 HVwVfG mit, auf welcher Internetseite die Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gemacht wird.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diese Verfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage beim Verwaltungsgericht Kassel, Goethestr. 41+43 (Fachgerichtszentrum), 34119 Kassel erhoben werden.
Fundstellen
- Verordnung (EU) Nr. 2016/429 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09.03.2016 zu Tierseuchen und zur Änderung und Aufhebung einiger Rechtsakte im Bereich der Tiergesundheit („Tiergesundheitsrecht“) (ABl. L 84 vom 31.3.2016), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2018/1629 (ABl. L 272 vom 31.10.2018), zuletzt berichtigt im ABl. L vom 15.12.2023
- Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vom 19.03.1991 (BGBl. I S. 686) zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 24.10.2024 (BGBl. 2024 I Nr. 328)
- Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (HVwVfG) vom 15. Januar 2010 (GVBl. I S. 18), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 16. Februar 2023 (GVBl. S. 78, 81)
- Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2005, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Inneren Sicherheit in Hessen vom 13.12.2024 (GVBl. Nr. 83)
Kassel, den 27. Juni 2025
REGIERUNGSPRÄSIDIUM KASSEL
- RPKS - 0030-23-019b40.04-00002#2025-00008-